Kultur, nicht Kostüm.

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Kultur, nicht Kostüm.


Fasching, eine seit Jahrhunderten etablierte Tradition in Deutschland, bei der man tragen kann was man will. Doch nur weil man etwas kann, bedeutet das denn dann automatisch, dass man es auch machen sollte?


Von Geisha Kostümen, bis hin zu der Verkörperung des "wilden Afrikaners" ist wirklich alles dabei, doch das wohl beliebteste Outfit bei den Deutschen ist der Indianer/die Indianerin. Der Federkopfschmuck, die Kriegsbemalung und die Kleidung aus Leder mit Fransen. Ach ist das nicht herrlich? Um euch die schwere Entscheidung abzunehmen: Nein, ist es absolut nicht.
Um zu klären wieso das so ist, müssen wir aber ein wenig in die Geschichte eintauchen.


Am 12. Oktober, 1492 landete Kolumbus mit seiner Mannschaft, aufgeteilt auf 3 Schiffe, an der Küste von San Salvador. Von dort aus zogen sie durch die ganze Karibik, wo sie auf verschiedene Ureinwohner Stämme trafen, darunter auch die Tainos (meine Vorfahren), die er alle samt als "Indianer" bezeichnete, da er dachte, er wäre in Indien. Also solltet ihr davon absehen die kolonialistische Fremdbezeichnung für native Americans zu benutzen.

Von da an entstand eine jahrhundertlange Strähne des Völkermords, der Vergewaltigung, der Zwangskonvertierung, der Zerstörung und Aneignung von Kultur, das Stehlen von Land, der Versklavung und weitaus mehr an den Ureinwohnern Amerikas, die circa 100 Millionen native Americans das Leben kostete. Von der Karibik, bis nach Kanada.


Während es den Unterdrückten verboten wurde Traditionen auszuleben und traditionelle Kleidung zu tragen, nutzten die weißen Kolonialisten die vielfältigen Kulturen der Ureinwohner, um sich selbst damit zu schmücken und zu bereichern. Das nennt man übrigens kulturelle Aneignung.


Und es ist noch nicht vorbei. Selbst heutzutage kämpfen native Americans noch überall für ihre Rechte. Denn ihnen wird immer noch das Land geraubt, sie werden immer noch systematisch unterdrückt, ermordet, sexualisiert, vergewaltigt, nicht repräsentiert und in den Filmen werden sie als die Bösen dargestellt. Ja, indigene Frauen haben die höchste Vergewaltigungsrate von 1 in 3, und sind 2.5 mal wahrscheinlicher Opfer von sexuellen Übergriffen zu werden als jede andere ethnische Gruppe in ganz Amerika und Kanada , besonders weil sie systematisch sexualisiert und zum Fetisch gemacht werden. Denn während weiße Frauen sich aus Spaß einen brauen Bikini anziehen und sich Federschmuck auf den Kopf setzen, müssen die echten einheimischen Frauen darunter leiden und mit den Konsequenzen der Sexualisierung leben. Und das nennt ihr Wertschätzung?
Nein.
Es ist kulturelle Aneignung und das auch noch schlecht gemacht!

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Mal abgesehen davon, dass es unsere Ethnie sexualisiert, wird desweiteren die Vielfalt der hunderten verschiedenen Kulturen und Völker innerhalb der native American Ethnie verallgemeinert und misrepräsentiert. Zum Beispiel tragen in vielen Kulturen indigenener Völker nur bestimmte männliche Krieger, die eine besondere Leistung vollbracht haben, Federkopfschmuck und in anderen gibt es wiederum gar keine Kopfpracht. Es gibt über 500 indigene Völker allein in den Amerikas, die alle grundverschieden sind.
Zu denken man könnte alle auf einen lächerlichen, unauthentischen Kopfschmuck mit falschen Plastikfedern und einem billigen Fransenoutfit vom Fließband reduzieren ist nicht nur dumm, sondern auch noch verdammt respektlos und rassistisch.

Man muss auf Instagram nur einmal nach dem Hashtag "Indianer" suchen und trifft auf über 70 TAUSEND Resultate, allein in Deutschland. Das ich mir das schon gar nicht mehr ansehen kann, weil es schmerzhaft ist und ich immer auf Ignoranz stoße, ist da ja nicht verwunderlich.


Das diese Menschen damit weiße Unternehmen unterstützen, die native Americans ausbeuten, ohne ihnen für die Nutzung ihrer Kulturen Profit abzugeben und/oder für sie einstehen/ihre Gemeinden aufzubauen, macht das ganze nicht besser. Besonders wenn man bedenkt, dass sie die wohl am schwersten von Armut betroffene ethnische Gruppe in Amerika und Kanada ist.


Auch erwähnenswert ist, dass Indianer Filme und Western Filme ein Teil der westlichen/weißdominierten Filmindustrie sind, die nicht die Wahrheit widerspiegeln, sondern lediglich die weißgewaschene Version, in der die Weißen zu Helden werden und die native americans zu den Bösen, die man unbedingt bekämpfen muss.

Dass die in Deutschland so beliebten Wild Wild West/ Winnetou Freilicht Theater und die Cowboy und Indianer Filme nicht nur  misrepräsentieren und die Wahrheit über die tatsächlichen Ereignisse zwischen native Americans und weißen Kolonialisten verschleiern, sondern auch den Eindruck vermitteln, dass native Americans ein Teil der Vergangenheit sind und durch die Kostümisierung dieser das auch noch verstärken, lässt mich jedes mal Verzweifeln;
alla wir sind keine echten, lebendigen und modernen Menschen, die in diesem Moment gerade mit Tränengas besprüht und von ihrem Land verjagt werden. Sondern nur noch eine Episode der Geschichte, die als Bespaßung für die weiße Bevölkerung dient.
Keine Kultur mehr,
sondern nur noch ein Kostüm.
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Wusstet ihr das? Habt ihr schonmal kulturelle Aneignung betrieben, auch wenn es unbewusst war?
Weißt ihr andere Menschen daraufhin, wenn sie kulturelle Aneignung betreiben? Schreibt es uns in die Kommentare oder über insta! @wirmuesstenmalreden



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